Rolls-Royce Studie - Wie wird die Schifffahrt grün?
06.06.2021
Friedrichshafen: Die Schifffahrt will und muss grüner werden. Das ist nicht nur eine Konsequenz aus dem Pariser Klimaabkommen, das ist auch der Anspruch vieler Reedereien, Werftbetreiber oder Kapitäne. Doch wo lang geht der Weg hin zu einer grünen Schifffahrt?
„Der wesentliche Hebel für eine grünere Schifffahrt sind die Kraftstoffe“, betont Dr. Daniel Chatterjee, Director Technology Management & Regulatory Affairs bei Rolls-Royce Power Systems. E-Kraftstoffe wie E-Wasserstoff, E-Methan, E-Methanol, E-Diesel oder E-Ammoniak, die aus Erneuerbaren Energien hergestellt und dann weiterverarbeitet werden, können klimaneutral in Antriebsenergie umgewandelt werden.
Veröffentlich am 18. Mai von Lucia Matuck, Grafiken Rolls-Royce Power Systems
Doch so klar und eindeutig das klingt ist es nicht, denn noch stellen sich viele Fragen:
- Welche E-Kraftstoffe werden das Rennen machen?
- Bis wann sind diese in ausreichender Menge verfügbar?
- Und welche Antriebstechnologien werden benötigt, um diese zu nutzen?
Fest steht: Es wird nicht den einen Kraftstoff geben, der für alle Einsätze die beste Lösung ist. Vielmehr wird es ein Nebeneinander verschiedener Kraftstoffe und auch Antriebstechnologien geben. So wird Wasserstoff, der in einer Brennstoffzelle oder auch in einem Verbrennungsmotor in Energie umgewandelt wird, ebenso ein Thema sein wie E-Methanol, E-Methan, E-Diesel oder E-Ammoniak.
Batterie oder E-Kraftstoff?
Eine Frage muss gleich zu Beginn beantwortet werden: Warum nutzt man nicht die elektrische Energie direkt, speichert sie in Batterien und treibt damit Elektromotoren an? Dies scheint auf den ersten Blick effizienter, da keine Energie bei der Umwandlung von Strom in einen E-Kraftstoff verloren geht. Doch die Energiedichte einer Batterie ist wesentlich geringer als die von E-Kraftstoffen. Um beispielsweise einen Motor der Baureihe 16V 4000 mit 2.000 Kilowatt Leistung acht Stunden lang zu betreiben, bräuchte man über 100 Tonnen Batterien.
Grafik: Rolls-Royce Power Systems AG
Speichert man Wind- oder Sonnenenergie in einer Batterie, kann man 70 bis 90 Prozent der Energie für den Antrieb nutzen. Wandelt man dagegen den Strom zunächst in einen E-Kraftstoff um, ist nur noch maximal 40 Prozent der ursprünglich erzeugten Energie nutzbar. Der Rest wird benötigt, um mit dem Strom den Kraftstoff herzustellen und zu transportieren. Es wird also bis zu fünf Mal mehr Energie benötigt, um Antrieb zu erzeugen. Doch bei dieser Rechnung fehlt ein wichtiger Parameter: die Energiedichte. Um beispielsweise einen Motor mit 2.000 Kilowatt Leistung acht Stunden zu betreiben, bräuchte man über 100 Tonnen Batterien, aber nur etwa 2 Tonnen Diesel. Die Energiedichte des Diesels ist unschlagbar gut.
Power-to-X macht globalen Energiehandel möglich
Doch nicht nur die Energiedichte von E-Kraftstoffen ist ein Argument für deren Einsatz. Sie ermöglichen auch den weltweiten Handel mit Energie. Denn beispielsweise in Patagonien oder der Sahara gibt es ein riesiges Potenzial, Energie regenerativ zu erzeugen. Die Auslastung eines Windrads in Patagonien ist drei bis vier Mal so hoch wie in Deutschland. Der Strom, der dort erzeugt wird, kann aber nicht nach Deutschland transportiert werden, wo er benötigt wird. Wenn aber der Strom vor Ort in Patagonien mit dem Power-to-X-Verfahren in Kraftstoff umgewandelt wird, können diese Kraftstoffe viel leichter transportiert werden. Zwar geht bei der Umwandlung und beim Transport viel Energie verloren, dennoch steht am Ende mehr Energie zur Verfügung, als wäre sie direkt vor Ort in Deutschland erzeugt worden. Letztendlich werden die gesamten Energibedarfe der Welt nur gedeckt werden können, wenn diese Potenziale genutzt werden.
Grafik: Rolls-Royce Power Systems AG
Eine Windkraftanlage in Deutschland kann maximal 1.800 Stunden laufen. Damit könnte man etwa 18 Gigawattstunden Strom erzeugen, wovon man 13,2 Gigawattstunden als Antriebsleistung bekommt. Wenn man daraus Wasserstoff macht, bleiben noch 4,3 bis 6,6 Gigawattstunden übrig. Zum Vergleich: Eine Windkraftanlage im vom Wind verwöhnten Patagonien kann 6.000 Stunden laufen und in dieser Zeit 60 Gigawattstunden Strom erzeugen. Wandelt man diesen vor Ort in Wasserstoff um und transportiert in nach Europa, kommen dort immer noch bei Einsatz einer Brennstoffzelle bis zu 17 Gigawattstunden als Nutzleistung an –. Das zeigt: Power-to-X macht globalen Energiehandel attraktiv.
Auf der Suche nach dem richtigen Power-to-X-Kraftstoff
In verschiedenen Studien durchleuchtet ein Team von Rolls-Royce-Experten derzeit mit Kunden und Industriepartnern das gesamte System – angefangen bei der Kraftstoffinfrastruktur über deren Erzeugungskosten und Reichweite bis hin zum Antriebssystem und die Integration dieses in das Schiff. Gemein ist allen E-Kraftstoffen, dass sie eine wesentlich geringere Energiedichte haben als konventioneller Diesel. Somit steigen das Gewicht und der Platzbedarf für die Kraftstofftanks in jedem Fall – allerdings nicht bei jedem in gleichem Maß.
Grafik: Rolls-Royce Power Systems AG
Die herausragende Energiedichte des Diesels kann kein anderer Kraftstoff erreichen. Vereinfacht gilt: Je weiter der im Power-to-X-Verfahren erzeugte Wasserstoff weiterverarbeitet wird und je näher der Kraftstoff im Verarbeitungsprozess dem konventionellen Diesel kommt, desto höher ist die Energiedichte. Eine völlig emissionsfreie Verbrennung ist mit diesen dann entstandenen Kraftstoffen z.B. Methanol, DME oder OME aber nicht mehr möglich.
Wasserstoff für Fähren und Schlepper
Daher gilt: Fähren oder Schlepper, die auf definierten, kurzen Strecken im Einsatz sind, können eher auf Wasserstoff als Kraftstoff setzen, denn diese können häufig tanken und sich zudem darauf verlassen, dass dieser Kraftstoff an ihrem angefahrenen Hafen auch zur Verfügung steht. Experten von Rolls-Royce rechnen damit, dass schon im Jahr 2035 mehr als die Hälfte aller Fähren und Schlepper weltweit nicht mehr von einem Dieselmotor angetrieben werden.
Verbrennungsmotoren werden in Yachten weiter eine Rolle spielen
Auch bei Yachten geht der Trend weg vom konventionellen Diesel-Verbrennungsmotor. Schon heute setzen viele Eigner auf Hybrid-Systeme, bei denen Diesel- und Elektromotoren mit Batterien kombiniert werden. Im Jahr 2030 werden Brennstoffzellen kommerziell verfügbar sein und Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung ersetzen können. Bei hybriden elektrischen Antrieben werden sie auch einen Teil der Antriebsleistung bereitstellen-. Doch so ganz verabschieden wird sich der Verbrennungsmotor von den Yachten nicht. Denn bei vielen Yachten spielt vor allem die Reichweite eine große Rolle, außerdem sind sie häufig an exotischen Orten unterwegs, an denen sie sich nicht auf die Verfügbarkeit von neuartigen Kraftstoffen wie Wasserstoff oder Methanol verlassen können. Hier bleibt Diesel – als E-Disel auch in CO2-neutraler Variante – eine wichtige Option, Dieser wird weiter an den meisten Häfen vorhanden sein und hat eine wesentlich bessere Energiedichte als WasserstoffE-Diesel kann außerdem in schon bestehenden Motoren verwendet werden.
Auch E-Ammoniak ist als Schiffskraftstoff interessant – allerdings sehen die Rolls-Royce-Experten diesen aus Sicherheitsgründen aktuell nicht in der küstennahen Schifffahrt, also in Fähren, Schleppern oder Yachten.
„In drei bis fünf Jahren brauchen wir eine Weichenstellung“
„Noch betrachten unsere Experten gemeinsam das gesamte Eco-System mit dem Ziel, die beste Lösung zu finden“, so Chatterjee. Doch, und da ist er sich sicher: „Spätestens in drei bis fünf Jahren wird eine Weichenstellung notwendig sein, um unser großes Ziel – die Schifffahrt bis im Jahr 2050 klimaneutral zu machen – zu erreichen.“
Denn noch scheint dieses Ziel weit weg. Doch eine einfache Rechnung zeigt, dass die Vorbereitungen dazu schon heute begonnen werden müssen: Schiffe laufen bis zu 40 Jahre. Will die gesamte Schifffahrt im Jahr 2050 klimaneutral sein, müssen schon heute die Schiffe geplant werden, die dann fahren. Ein im Jahr 2030 in Dienst gestelltes Schiff muss schon mit klimaneutralen Antriebskonzepten ausgestattet werden. Wenn dies – drei Jahre Bauzeit vorausgesetzt – im Jahr 2027 gebaut werden soll, muss schon in den Jahren davor die Entscheidung für das Antriebssystem, und damit den Kraftstoff gefallen sein.
Politische Unterstützung notwendig
Studien von Rolls-Royce zeigen, dass der riesige Bedarf von E-Kraftstoffen – 20.000 Terrawattstunden Energie pro Jahr, umgerechnet etwa zwei Billionen Liter – nicht vor dem Jahr 2030 erfüllt werden kann. Zwar ist die Technologie verfügbar, doch noch nicht im industriellen Stil. „Dies zu fördern und zudem die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass diese Kraftstoffe einen Markt finden, benötigt die Unterstützung der Politik“, fordert Chatterjee.
Er freut sich auf die vielen Diskussionen mit Kunden und weiteren Industriepartnern über die jeweils passende Auswahl an Kraftstoffen und Antriebssystemen. „Wir stehen am Beginn einer großen maritimen Transformation. Davon ein Teil zu sein, ist eine faszinierende Aufgabe“, so Chatterjee.
Rolls-Royce hat Kunden in mehr als 150 Ländern, darunter mehr als 400 Flug- und Leasinggesellschaften, 160 Streitkräfte und Seestreitkräfte, sowie mehr als 5.000 Energie- und Kernenergiekunden.
Der Jahresumsatz 2020 betrug 11,76 Milliarden britische Pfund und wir investierten 1,25 Milliarden britische Pfund in Forschung und Entwicklung. Das Unternehmen unterstützt ein weltweites Netzwerk von 28 universitären Technologie-Centern, durch die Rolls-Royce-Ingenieure unmittelbar an wissenschaftlicher Spitzenforschung teilhaben.
Veröffentlich am 18. Mai von Lucia Matuck, Grafiken Rolls-Royce Power Systems | https://www.mtu-solutions.com/eu/de/stories/marine/how-does-shipping-go-green.html

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