Wirtschaft

Deutschland Großprojekte-Studie: Offshore-Windparks schneiden mit 20 Prozent Kostenüberschreitung relativ gut ab

21.05.2015

Hertie School of Governance gGmbHBerlin: Mit durchschnittlich 20 Prozent Kostenüberschreitung stehen Offshore-Windparks im Vergleich zu anderen Großprojekten relativ gut da: Das durchschnittliche Großprojekt in Deutschland wird 73 Prozent teurer als geplant. Das ergibt eine Studie der Hertie School of Governance unter der Leitung von Prof. Dr. Genia Kostka.

Obwohl die Verantwortlichen bei Offshore-Windparks mit einer Reihe von Pionierrisiken zu kämpfen hatten, belegt eine Fallstudie zu acht dieser Projekte deutliche Lerneffekte bei der Planung von Bau und Installation. Allerdings wurde der geplante Ausbau durch Probleme bei der regulierten Netzanbindung mit Zeitverzögerungen von durchschnittlich 13 Monaten pro Park gebremst, was für die Verbraucher eine Kostensteigerung um mehr als 1 Mrd. Euro bis Ende 2014 bedeutete. Schwachpunkt sei vor allem die mangelnde Koordination zwischen Übertragungsnetzbetreibern und Windparkentwicklern, zu der auch der unsichere politischen Rahmen beitrug, so Niklas Anzinger, Autor der Teilstudie zum Offshore-Ausbau: „Eine bessere Abstimmung, auch mit den Nordsee-Anrainerstaaten, könnte zusätzliche Lerneffekte bringen, so dass die Offshore-Windenergie den gewünschten Beitrag zur Energiewende leisten kann.“ Mit einem Anteil von 0,3 Prozent an der gesamten Stromerzeugungskapazität war dieses Ziel im Herbst 2014 noch weit entfernt. Bis Ende 2015 wird mit einer Steigerung auf 1,5 bis 2 Prozent gerechnet.


Fallstudie Ausbau der Offshore-Windenergiegewinnung in Deutschland Umfang, Muster und Ursachen von Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen

Die wichtigsten Ergebnisse
Offshore-Windenergie soll zum Schlüsselelement für die Energiewende in Deutschland werden, indem ihr Anteil an der Stromerzeugung auf 15 % bis 2030 gesteigert wird. Bis 2012 wurden jedoch nur 280 MW installiert und die Ausbauziele daher nach unten korrigiert: von 10 GW auf 6,5 GW bis zum Jahr 2020 und von 25 GW auf 15 GW bis 2030. Ende 2014 waren 1 GW installiert und 1,3 GW warten auf die Netzanbindung, was zusammen ca. 1-1,5 % der Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland entspricht.

Die bei der Konstruktion und Installation von Offshore-Windparks für die Privatwirtschaft entstandenen Kostensteigerungen fielen mit 20 % gegenüber anderen Sektoren vergleichsweise gering aus.1 Jedoch wurde der geplante Ausbau durch Probleme bei der regulierten Netzan- bindung durch Zeitverzögerungen von durchschnittlich 13 Monaten pro Park gebremst, was für die Verbraucher eine Kostensteigerung um mehr als € 1 Mrd. bis Ende 2014 bedeutete.2

Zeitliche Verzögerungen und Kostensteigerungen sind auf Faktoren wie Pionierrisiken und Governance-Herausforderungen zurückzuführen:

  • Pionierrisiken sind technischer Natur (z.B. erstmalige Anwendung ungetesteter Technologien in tiefen Gewässern, weit vor der Küste) oder stehen in Verbindung mit der Funktionsfähigkeit von Zulieferketten (z.B. unzureichende maritime Infrastruktur) oder der Finanzierung (z.B. hohes Investitionsrisiko bei kapitalintensiven Projekten).
  • Das Kernproblem im Hinblick auf die Steuerung bzw. Governance war die zwischen privaten Windparkentwicklern und regulierten Übertragungsnetzbetreibern aufgeteilte Zuständigkeit, die zu Planungsunsicherheit führte (z.B. unklare Haftungsverhältnisse bei zeitlichen Verzögerungen).
  • Die Unternehmen haben an Erfahrung hinzugewonnen und waren in der Lage, viele Pionierherausforderungen beim Bau von Offshore-Windparks zu meistern; Kostenstei- gerungen und Zeitverzögerungen beim Netzanschluss und -ausbau könnten jedoch weiterhin ein Problem darstellen.

Um den Ausbau der Offshore-Windenergiegewinnung anzukurbeln, empfehlen wir, den Netzausbau durch die Verbesserung der Koordination zwischen Übertragungsnetzbetreibern, Windparkentwicklern, Zulieferern und den Regierungen der Nordsee-Anrainerstaaten zu verbessern, einen langfristigen Planungsrahmen mit einer klaren Verteilung der Ver- antwortlichkeiten zu entwickeln und die potentiellen Risiken durch unabhängige Stellen regelmäßig prüfen zu lassen.


1 Die Studie befasst sich mit „halbprivaten“ Windparkprojekten und nicht mit Projekten, die durch die öffentliche Hand oder Öffentlich-Private Partnerschaften betrieben werden. Die Investitionen in Windparks werden von der Privatwirtschaft getätigt, finden jedoch in einem Umfeld staatlicher Förderung und anreizbasierter Regulierung statt (Einspeisevergütung) und sind Teil einer regulierten Wertschöpfungskette (Netzanbindung). Am Beispiel von Offshore-Windparks sollen die auftretenden Risiken sowie die Verteilung der Verpflichtungen und Kompetenzen im Zusammenwirken unterschiedlicher privater und öffentlicher Akteure beleuchtet werden.
2 Basierend auf Angaben einer Kommunikationsplattform der Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland („Netztransparenz“), welche die sog. „Offshore Haftungsumlage“ für 2013 auf € 295 Millionen, für 2014 auf € 762 Millionen und für 2015 auf € 491 Millionen beziffern.

Innerhalb des Energiesektors erlauben die von den Wissenschaftlern ausgewerteten Daten einen Vergleich zum Atomkraftwerkebau in den 1960er bis 1980er Jahren: Die sechs untersuchten Atomkraftwerke wurden mit durchschnittlich 187 Prozent fast dreimal so teuer wie veranschlagt. Lerneffekte im Zeitverlauf konnten nicht festgestellt werden. „Mit einer mittlerweile vergleichsweise standardisierten Technologie und kürzeren Bau- und Installationszeiten sind die Windparks klar besser planbar“, sagt Anzinger.

Für die Studie Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität” unter der Leitung von Genia Kostka, Professorin für Governance von Energie und Infrastruktur, wurden 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte erfasst und analysiert, darunter 119 abgeschlossene und 51 noch laufende Projekte. In den Bereichen öffentliche Gebäude, Verkehr, Energie, Rüstung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie untersucht die Studie erstmals systematisch geplante und tatsächliche Kosten. Drei detaillierte Fallstudien zum Berliner Großflughafen BER, zur Elbphilharmonie sowie zu Offshore-Windparks ergänzen die Untersuchung. Die Studie wurde mit Unterstützung der Karl Schlecht Stiftung realisiert.

Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen. (Pressemeldung vom 21.05.2015) 

(Pressemeldung vom 21.05.2015)
Quelle: Hertie School of Governance GmbH | Foto: Hertie School of Governance
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