ifo Institut: Ökonomenpanel von ifo und FAZ – Entwicklungen auf den Energiemärkten
09.10.2022
München: Begleitend zum Angriffskrieg auf die Ukraine hat Russland die Gaslieferungen nach Europa sukzessive reduziert. Durch die hohe Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas führt der Lieferstopp zu einer drastischen Verknappung und Preisexplosion auf dem Energiemarkt, die Haushalte und Betriebe gleichermaßen belasten. Die daraus resultierende gesellschaftliche und wirtschaftliche Destabilisierung ist das Ziel der russischen Handlungen, so dass die Bundesregierung mittlerweile von einem Energiekrieg spricht. Um die Belastungen für Haushalte und Betriebe zu mildern, hat die Bundesregierung drei Entlastungspakete im Volumen von insgesamt rund 95 Milliarden Euro beschlossen. Ein weiteres, schuldenfinanziertes 200-Milliarden-Paket hat die Bundesregierung am 29. September 2022 angekündigt. Das 40. Ökonomenpanel von ifo und FAZ widmet sich den gegenwärtigen Entwicklungen auf den Energiemärkten. Die Umfrage war vom 27. September bis zum 04. Oktober im Feld und insgesamt nahmen 178 VWL-Professorinnen und Professoren teil.
Ökonom*innen sehen Bundesregierung bei Ausweitung des Energieangebots und Anreizen zum Energiesparen in der Pflicht
81% der teilnehmenden Ökonom*innen geben an, dass im Umgang mit den drastisch gestiegenen Strom- und Gaspreisen der Fokus der Bundesregierung auf einer Ausweitung des Angebots, z.B. durch neue Energiequellen liegen solle. Ähnlich hohe Zustimmung drücken sie für wirtschaftspolitische Maßnahmen aus, die Anreize für Einsparungen bei Haushalten (77%) und bei Betrieben (69%) setzen. Der Anteil der Ökonom*innen, die den Fokus der Bundesregierung in der Entlastung von Haushalten (53%) bzw. Betrieben sehen (41%), war deutlich niedriger. Mehrfachnennungen waren möglich.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ist präferierte Maßnahme zur Ausweitung des Strom- und Gasangebots
Zur Ausweitung des Strom- und Gasangebotes in Deutschland unterstützen 81% der Befragten den Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke über 2022 hinaus. Weitere populäre Maßnahmen sind der Abbau von Regularien, die den Ausbau erneuerbarer Energien erschweren (74%), der Bau weiterer LNG-Terminals (71%) und der Ausbau der Übertragungsnetze im Strombereich (70%). 61% der teilnehmenden Ökonom*innen befürworten den Einkauf von Flüssiggas „auch aus autokratischen Staaten“ wie Qatar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Weniger als die Hälfte der Ökonom*innen unterstützt die Wiederinbetriebnahme von abgeschalteten Kohlekraftwerken (47%), die finanzielle Förderung von erneuerbaren Energien (44%) und die Aufhebung des Fracking-Verbots in Deutschland (42%). Mehrfachnennungen waren möglich.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Hohe Unterstützung für die Entlastung von Haushalten – insbesondere in Form von Energiegeldern
Mit 83% spricht sich eine große Mehrheit der Ökonom*innen für weitere Entlastungen der Haushalte von den hohen Energiekosten aus: Eine Vielzahl fordert zugleich eine Beschränkung der Entlastung auf bestimmte Personengruppen, zum Beispiel nur für untere und mittlere Einkommen. Einige der Befragten merken an, dass die Entlastung nur für einen Grundbedarf an Energie gelten solle, da es notwendig sei, durch Anreize die Nachfrage weiter zu reduzieren. Entsprechend ist die Unterstützung für einen Strom- und Gaspreisdeckel, bei dem der Staat den Preis für eine festgelegte Menge von Strom und Gas festlegt und darüberhinausgehende Kosten trägt, unter Ökonom*innen äußerst niedrig. Nur 14%, die sich für eine Entlastung aussprechen, favorisieren diese Form der Entlastung. Dem gegenüber unterstützen 68% Energiegelder. Bei derartigen Transferzahlungen über die höheren Steuersätze von gutverdienenden Haushalten würde automatisch sichergestellt, dass die Entlastung insbesondere bei bedürftigen Haushalten ankäme.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Uneinigkeit zwischen Ökonom*innen bei weiteren Entlastungen von Betrieben
Eine Mehrheit der Ökonom*innen spricht sich auch für weitere Entlastungen der Betriebe von hohen Energiekosten aus (54%). Die Unterstützung für Entlastungen der Betriebe ist im Vergleich zu Haushalten deutlich verhaltener (-29 Prozentpunkte). 31% sind gegen weitere Entlastungen von Betrieben. Die Befürworter*innen zielen bei den Entlastungen auf sehr unterschiedliche Zielgruppen ab. Die einen unterstützen Entlastungen für energieintensive Betriebe, die anderen sehen die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Fokus. Wieder andere fordern Unterstützung bei Liquiditätsproblemen und für Unternehmen, die in Folge der hohen Energiepreise von Insolvenz bedroht sind. Vielfach forderten die Ökonom*innen, dass Entlastungen nur in Form von Krediten erfolgen und keine Anreize zum Energiesparen ausgehebelt werden sollten.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Knappe Mehrheit der Ökonom*innen für Verstaatlichungen von Energieversorgungsunternehmen
Mit Blick auf die durch die Energiekrise angeschlagenen Energieversorgungsunternehmen unterstützen 55% der Befragten eine Verstaatlichung. Sie sehen diese als alternativlos zur Sicherung der Versorgung und zur Verhinderung von Dominoeffekten an. Sie verweisen auf die besondere Situation und betonen, dass die gegenwärtigen Schieflagen kein Ausdruck von Ineffizienzen seien. Im Vergleich mit anderen Maßnahmen sehen sie bei einer Verstaatlichung positiv, dass der Staat in den Unternehmen ein Mitspracherecht erwerbe und seinen Anteil nach Ende der Krise – ggf. wie bei der Lufthansa mit Gewinn – verkaufen könne. Die Befürworter*innen schränken mit Blick auf die Verstaatlichungen ein, dass die Systemrelevanz ein notwendiges Kriterium sei. Demgegenüber lehnen 26% der Ökonom*innen auch in der aktuellen Energiekrise eine Verstaatlichung ab, 19% sind sich unsicher. Sie verbindet eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Staat als Unternehmer, da dieser unter Effizienz- und Anreizproblemen leide. Statt Verstaatlichungen befürworten sie Kredite und Subventionen für die angeschlagenen Unternehmen, um die Versorgung mit Energie weiter zu gewährleisten.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Übergewinn-/ Zufallsgewinnsteuer spaltet die Profession der Ökonom*innen
Die Frage nach der Einführung einer Übergewinn-/ Zufallsgewinnersteuer für die Produzenten von erneuerbaren Energien, Kern- und Kohleenergie spaltet: Während 46% der Befragten eine solche Steuer unterstützen, wird sie von 43% abgelehnt. Befürworter*innen der Steuer verweisen auf den enormen Finanzierungsbedarf für die angedachten Entlastungen und fordern, dass die von den hohen Energiepreisen profitierenden Unternehmen einen Beitrag zur Bewältigung der Energiekrise leisten sollen. Zudem führen sie die Gewinne nicht auf eine gute Unternehmensführung, sondern auf den russischen Angriffskrieg zurück. Durch die Einführung der Steuer im Kontext dieser Ausnahmesituation erwarten sie keinen Einfluss auf Incentivierungen am Markt und künftige Investitionen in erneuerbare Energien. Demgegenüber verweisen die Gegner*innen der Steuer auf die Schwierigkeit, Übergewinne zu definieren und von „normalen“ Gewinnen abzugrenzen. Sie sehen die Gefahr eines Präzedenzfalls für die künftige Abschöpfung von Übergewinnen. Zudem sei die Steuer ihrer Ansicht nach rechtlich schwierig zu implementieren, setze falsche Anreize und erzeuge Unsicherheit.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
19 von 20 Ökonom*innen erwarten Rezession in Deutschland
Für den kommenden Winter erwartet etwa die Hälfte der Befragten weder Black-Outs noch die Rationierung von Strom und Gas (47%). Allerdings rechnet die andere Hälfte der Ökonom*innen mit Black-Outs oder Rationierungen (33%) oder ist sich unsicher (20%). Bei dem Wirtschaftsausblick für Deutschland sind sich die teilnehmenden Ökonom*innen einig. 94% erwarten, dass Deutschland in Folge der Energiepreiskrise in eine Rezession rutscht. Sie haben damit einen ähnlich pessimistischen Ausblick wie die deutschen Unternehmen. Der ifo Geschäftsklimaindex rutschte im September auf den tiefsten Wert seit Beginn der Covid-19-Pandemie in 2020.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
Infografik: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.

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